Eine Sternstunde der Orgelmusik im Pfaffenwinkel
Das 2. Orgelkonzert des Rottenbucher Festsommers 2022 an der Freywis-Orgel wurde zu einem glanzvollen Hörgenuss und zu einer umfassenden Präsentation der klanglichen und stimmlichen Vielfalt, welche das restaurierte und sanierte Instrument mit seinen 29 Registern zu leisten im Stande ist.
Mit dem Römer Gianluca Libertucci, dem Organisten der Päpstlichen Basilika in St. Peter im Vatikan, Organist der päpstlichen Generalaudienzen und der Kapelle der Schweizer Garde war einer der profiliertesten Orgelspieler der Gegenwart nach Rottenbuch gekommen, um der Freywis-Orgel seine Referenz zu erweisen und den vielen Zuhörern in der vollbesetzten Rottenbucher Pfarrkirche ein grandioses Konzert zu bieten, welches allen Freude bereitete und ehrfürchtiges Staunen hervorrief.
Allein schon das von Libertucci ausgewählte Programm lies Allerbestes erwarten und führte durch zwei Jahrhunderte Orgelmusik, wobei der Schwerpunkt auf Werken italienischer Komponisten lag. Um dem Maestro bei seinem Spiel zusehen zu können, war im Kirchenschiff eine Leinwand angebracht, damit der Künstler bei seinem virtuosen Spiel an der Orgel für alle zu sehen war.
Als Registrant fungierte der Kirchenmusiker des Pfarrverbandes Rottenbuch Florian Löffler: er hatte mit beiden Händen zu tun!
Die Zuhörer durften die ganze Breite und Farbe des restaurierten Instrumentes wirklich erleben, denn der im abendlichen Licht strahlende Raum wurde mit der brillierenden Musik der Orgel zu einer Einheit; die Farben der Fresken, die Figuren und vor allem die musizierenden Putti verschmolzen zu einer Rokokoseligkeit und wurden damit zu einem Stück Himmel auf Erden.
Mal mit wenigen, mal mit vielen, auch mit allen Registern, führte Libertucci durch alle Pfeifen und Dispositionen, so dass es rauschte und sprudelte, wehte und toste, leise summte, mit dumpfen Gedacktem, mit satten und festen Prinzipale, mit klirrenden und hell strahlenden Tönen, silbrig, mit pastellhaften Einzelfarben und poesievollen Mischungen, mit scharfer Zeichnung und großer Deutlichkeit. Alles was die Orgel aufzubieten hat, alles was zum Klang werden kann.
Er verstand es in allen Kompositionen, die er zu Gehör brachte, eine Klanggestalt entstehen zu lassen, und mit Stilgefühl Form und Ausdruck der einzelnen Stücke nicht nur hör- sondern sogar fühlbar zu entfalten.
Das Programm wurde mit der Toccata Settima von Girolamo Frescobaldi , dem ersten italienischem Großmeister der Orgel, mit schnellen Läufen und feierlichen Kadenzen eröffnet. Das Choralvorspiel „Vater unser im Himmelreich“ von Georg Böhm führte in den deutschen Orgelbarock. Johann Sebastian Bach‘s „Liebster Jesus wir sind hier“ und seine, in abgeklärter Ruhe, erklingende Fantasia et Fuga c-Moll erklangen meisterhaft.
Mit zwei Sonaten von Domenico Scarlatti und einem transkriptiertem Streicherkonzert von Antonio Vivaldi erklang nochmals grandiose italienische Musik des 18. Jahrhunderts in klanglicher Vielfalt und Souveränität.
Johann Gottfried Walther , einen Freund J.S. Bach, erschloss uns Libertucci mit festlichem Charakter in einem für die Orgel gesetzten Konzert von Tomaso Albinoni.
Libertucci, der uns mit seinem Konzertprogramm in seine Heimat entführte, präsentierte mit dem Barockkomponisten Leonardo Leo den Meister der neapolitanischen Orgelschule; er spielte drei seiner berühmten Orgelsonaten. Auf die Musik aus Neapel folgte das Allegro der d-moll Sonate von Baldasssarre Galuppi , dem berühmten Barockkomponisten aus Venedig. Von Andrea Lucchesi , dem berühmten Schüler von Galuppi, der 20 Jahre als Kapellmeister in Bonn wirkte, erklangen vier seiner virtuosen Sonaten, die erahnen ließen, dass Lucchesi eine überragende Bedeutung für die Entwicklung hin zur Wiener Klassik hatte. Zwischen beide setzte Gianluca Libertucci eine eigene Komposition , die Fantasia dell’aurora, mit beschwingten Variationen über ein italienisches Kinderlied. Der Maestro des Abends hat seine Komposition sicher bewusst zwischen die beiden Venezianer gesetzt, weiß er sich doch beiden, als Lehrstuhlinhaber für Orgel am Konservatorium Venedig, verwandt, vielleicht sieht er sich sogar als deren Schüler.
Abschließend erklang in majestätischen Tönen, alle Register erklingend, das Rondo ad uso orchestra von Niccolo Moretti aus Treviso.
Der Kirchenraum von Rottenbuch füllte sich mit einer sympathischen und erhöhenden Tonfülle, die Baukörper, Kunst und die ergriffenen Anwesenden zu einem Gesamtkunstwerk werden ließ.
Mit jubelndem Applaus bedankte sich das Publikum bei Gianluca Libertucci, der an die Brüstung der Orgelempore getreten war.
Eine Sternstunde an der Freywis-Orgel, die lange in der Erinnerung der Zuhörer haften bleiben wird.
"Mille grazie!" einem der ganz Großen an der Orgel. - A.B.